Kolonie am Erlengrabenteich

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Verfasst am 03.11.2020 um 08:30 Uhr

Natürlich gebildet    

von Isabell Simonsmeier  

Werte Kleingärtnerinnen und Kleingärtner! Wie sehen Sie das? Was haben Sie alles schon beim Gärtnern gelernt? Hat Ihr Garten einen geradezu selbsttätig bildenden Einfluss auf Sie? Der Berliner Reformpädagoge und Lehrer August Heyn (1879–1959) war überzeugt, dass der Garten selbsttätig bildend ist.


Freimütig schreibt er 1921: „Als früherer Landlehrer glaube ich sagen zu können, dass meine damaligen Schüler trotz der einfachsten Schulverhältnisse, trotz vollkommen fehlender künstlicher Anschauungsmittel in der Naturkunde viel mehr Wissen und praktisches Können zeigten als meine späteren im Alter entsprechenden Schüler der Großstadt. Ich kann nicht zugeben, dass ich damals ein geschickterer Lehrer gewesen wäre. Eher ist das Gegenteil richtig, und doch steht der Erfolg im umgekehrten Verhältnis. Ich finde für diese merkwürdige Erscheinung die Erklärung nur darin, dass die Kinder der Landschule außer dem öffentlichen Unterricht noch dauernd unbewusst Arbeitsunterricht in Garten-, Feld- und Waldschulen empfingen.“ Seine Folgerung war die Gründung der ersten Gartenarbeitsschule vor 100 Jahren.


Was für die Schülerinnen und Schüler zutrifft, gilt das auch für die Erwachsenen? Der Garten, so meine ich, unterzieht Sie einem fortwährenden Lernprozess – lebenslang lernen. Er fragt Sie auch nicht, ob Sie das wollen. Es passiert einfach! Stichwort Biodiversität: Sie können den Verlust der Vielfalt der Schmetterlinge mit Namen benennen und sagen, welche Pflanzen in der Gunst der Bestäuber ganz oben liegen. Ernährung: Sie wissen und können ein Lied davon singen, dass der Kampf um den Salat nicht immer zu Ihren Gunsten ausgeht. Erst Recht mit dem Anspruch, ökologisch zu gärtnern. Was aus dem Garten kommt, ist die viel gepriesene regionale Versorgung, und dazu noch gesund.


Wenn Sie dem Gärtnern schon lange verbunden sind, können Sie nicht nur an Ihrer Wasserrechnung ablesen, dass sich das Klima verändert. Der Geschmack der alten Apfelsorten oder reifer Himbeeren ist nicht nur eine Erfahrung, die Sie machen, sondern ermöglicht Ihnen ein nachhaltiges Verständnis für den Verlust der Sortenvielfalt.


Wo teilen Sie über das Zaungespräch hinaus Ihr Wissen? Wo können die Berlinerinnen und Berliner, denen dieser Zugang nicht gegeben ist, mehr an Ihren Erfahrungen teilhaben? Als Referentin für die Gartenarbeitsschulen in der Senatsverwaltung für Bildung ist es mir natürlich ein Anliegen herauszufinden, wie es gelingen kann, Kinder und Jugendliche an den Schätzen eines Gartens teilhaben zu lassen. Es gibt aus Ihren Kreisen schon viele gelungene Beispiele. Schön, wenn es noch mehr werden. Man lernt nie aus!


Isabell Simonsmeier

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie




Dieser Textbeitrag ist als Editorial in der November-Ausgabe 2020 der Verbandszeitschrift „Berliner Gartenfreund“ erschienen und mit freundlicher Genehmigung der Autorin auch hier. 


Foto (Ausschnitt): Shutterstock