Verfasst am 11.11.2019 um 10:00 Uhr

Austausch beim gemeinsamen Gärtnern

Interkultureller Garten Tiergarten Süd verbindet verschiedene Kulturen   

Der Umweltpreis Mitte ehrt seit mehr als 20 Jahren die innovativsten und engagiertesten Naturschutz-Projekte im Herzen der Stadt. Im Sommer wurden im Schul-Umwelt-Zentrum Mitte die diesjährigen Preisträger ausgezeichnet. In der Kategorie „Initiativen“ war der Wettbewerbssieger der  Interkulturellen Nachbarschaftsgarten Tiergarten Süd. In der Verbandszeitschrift "Berliner Gartenfreund" sind alle Preisträger vorgestellt worden:  Hier der Bericht von Elke Binas über den Interkulturellen Nachbarschaftsgarten:

Barbara Tennstedt (oben, r.) hat den Interkulturellen Nachbarschaftsgarten in Tiergarten Süd nicht nur gegründet. Als Koordinatorin ist sie auch wichtigste Ansprechpartnerin für alle, die hier ihre Beete pflegen wollen. 

Parzellen von nur 10 Quadratmetern

Wer denkt, dass eine Kleingarten-Mini-Parzelle von 250 m2 an Winzigkeit nicht mehr zu über- (oder unter-?)bieten ist, der sollte mal nach Tiergarten fahren. Die Parzellen im Interkulturellen Garten an der Lützowstraße/ Ecke Kluckstraße messen mitunter nur zehn Quadratmeter oder weniger! Für die Familien aus dem Kiez, die die mittlerweile 40 Parzellen und eine kleine Gemeinschaftsfläche bewirtschaften, ist es dennoch das Paradies, in dem sich so manche Gartenträume erfüllen.


Idee für das Projekt stammt aus New York
Vor bald zehn Jahren nahm das Projekt seinen Anfang, erzählt die Koordinatorin der ersten Stunde Barbara Tennstedt: Von Amerika- Aufenthalten brachte die Sozialpädagogin die Idee von urbanen Nachbarschaftsgärten in den 1990er-Jahren mit nach Berlin. Ihr gefiel der darin enthaltene Gedanke, dass sich die Bewohner kleine Brachen inmitten ihrer Stadt aneignen, die Flächen erschließen. und auf ihnen Kräuter und Gemüse anbauen.


Im FIPP e.V., einem freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit dem kürzlich neu eröffneten Kiez Zentrum Villa Lützow, fand Barbara Tennstedt einen Partner, mit dem sie an die Umsetzung ihrer Idee gehen konnte. Auf dem großen Gelände mit Projekten und Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Familien, mit Bildungsangeboten und Spielmöglichkeiten, fand sich auch noch Platz für den ersten Nachbarschaftsgarten in Mitte, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sich später noch ein zweiter hinzugesellte.


Nur wenige Regeln fürs gärtnerische Miteinander
„Das Interesse an den 30 geplanten Parzellen war überwältigend“, erinnert sich Barbara Tennstedt an die Zeit vor beinahe zehn Jahren, als es mit der Aufteilung der Parzellen und dem gemeinsamen Gärtnern begann. Im Frühjahr 2010 war das. Das Konzept funktioniert bis heute: Jede Familie zahlt einen kleinen Jahresbeitrag und darf ihre Parzelle nach eigenen Vorstellungen bewirtschaften. Es sind vor allem Frauen, die hier graben und gießen, jäten und ernten. Von allen wird erwartet, dass sie sich an Gartenversammlungen und an Aktionstagen beteiligen und dass sie achtsam mit dem Gelände und den gemeinsam angeschafften Geräten umgehen. „Mehr Regeln gibt es nicht“, sagt die Projektleiterin.

Applaus für die Arbeit im und für den Interkulturellen Garten.

Von Beginn an besteht die Gemeinschaft des Interkulturellen Gartens vor allem aus Familien mit Wurzeln in der Türkei, die rund um den Tiergarten zu Hause sind. Aber auch Menschen aus arabischen und asiatischen Ländern sind dabei, ebenso wie auch deutsche Familien – Zugezogene meistens. „Die Veränderungen in der Bewohnerschaft von Tiergarten-Süd spiegeln sich auch im Interesse der neuen Nachbarn an unserem Garten wider“, sagt Barbara Tennstedt.


Gesprochen wird in Deutsch und Türkisch
Wichtigstes Gremium der Gemeinschaft ist die regelmäßige Gartenversammlung. Hier werden Verabredungen getroffen und Beschlüsse gefasst. Gesprochen wird Deutsch und Türkisch – zumindest, wenn es um wichtige Themen geht. Eines davon war und ist die Kompostierung von Gartenabfällen. „Ein Dauerthema“, lacht Barbara Tennstedt. „Inzwischen haben alle begriff en, dass Kompostbehälter etwas anderes sind als Mülltonnen. Jetzt lernen wir gemeinsam, wie wir es endlich schaffen, dass aus den Pflanzen wieder Erde wird. Vor allem die Strünke von Lahane, der beliebtesten türkischen Kohlpflanze, wehren sich
nämlich entschieden gegen ihre Kompostierung!“ 


Austausch gelingt wie nebenbei

Wie nebenbei gelingt beim gemeinsamen Gärtnern auch der interkulturelle Austausch: Wie heißt Basilikum auf Türkisch? Wozu benutzt ihr Rhabarber? Was wächst in Deutschland gut und kann man aus unserem Thymian Zatar machen? Und mit jeder beantworteten Frage, jeder gemeisterten Schwierigkeit perfektionieren sich die Kenntnisse der Gärtnerinnen und Gärtner, die meist ohne Vorbildung begonnen hatten, ein kleines bisschen mehr. Mittlerweile konnte der Verein seine Gartenfläche zweimal erweitern und die Zahl seiner Parzellen auf 40 erhöhen. Eine Warteliste gibt es allerdings noch immer. Barbara Tennstedt hofft, dass dies auch noch lange so bleibt. Denn kann sich Interesse am gemeinschaftlichen Gärtnern bei gleichzeitigem interkulturellem Austausch sichtbarer manifestieren?


Bericht und Fotos: Elke Binas (Redakteurin der Verbandszeitschrift 'Berliner Gartenfreund')



Dieser Beitrag ist in der November-Ausgabe 2019 des Berliner Gartenfreunds  erschienen und mit freundlicher Genehmigung des Verlags W. Wächter auch hier. 


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