Kosten der Elektroversorgung im Kleingarten nach Ende eines Pachtverhältnisses
Unter Strom
Der Beitrag ist zugleich Besprechung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 22.01.2014, VIII ZR 391/12
Wenn ein Unterpächter seine Parzelle zurückgibt, lässt er regelmäßig auch einen Elektroanschluss auf der Parzelle zurück. In der jüngeren Vergangenheit kam es wiederholt vor, dass sich späterhin Elektroversorgungsunternehmen wegen der vorgeblichen Entnahme von Strom auf der leerstehenden Parzelle an den zuständigen Bezirksverband gewandt haben. Sie forderten, er solle für die auf der leerstehenden Parzelle vorgeblich erfolgte Stromentnahme bezahlen beziehungsweise die für die Vorhaltung des Stromzählers und die verfügbare Elektroversorgung anfallende Grundgebühr entrichten.
Vermieter haftet
Begründet wurden diese Anforderungen regelmäßig mit einem Verweis auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 30/03 und vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04. Nach diesen für die Fernwärmeversorgung einer leerstehenden Mietwohnung ergangenen Entscheidungen musste sich der Vermieter, da er die Verfügungsgewalt über die leerstehende Einheit mit dem Verbrauchsanschluss hat, die Kosten des Fernwärmeanschlusses zurechnen lassen mit der Folge, dass er wie ein Vertragspartner des Wärmeversorgers für entstehende Grund- und Verbrauchsgebühren haftete. Nach der von beiden Urteilen ebenfalls in Bezug genommenen BGH-Entscheidung vom 30. April 2003 – VIII ZR 279/02 – wird ein Vertragsschluss und die Zahlungspflicht für den Bezug von Wasser mit dem Inhaber der Verfügungsgewalt über ein Grundstück mit dessen Anspruch auf Wasserversorgung begründet.
Diesem Argumentationsmuster ist durch die Entscheidung des BGH vom 22.01.2014 jedenfalls für Stromanschlüsse der Boden entzogen. Denn der BGH stellt ausdrücklich fest, dass selbst im Mietrecht „anders als bei der leitungsgebundenen Wärme- und Wasserversorgung ... von einer Verpflichtung des Vermieters zur Belieferung seiner Mieter mit Strom nämlich nur ausgegangen werden [kann], wenn dies eigens vereinbart ist.“ In entsprechender Anwendung kann demnach eine Pflicht des Bezirksverbandes, seine Unterpächter mit Strom zu versorgen, aus der bloßen Existenz eines Pachtvertrages nicht abgeleitet werden, es bedürfte dafür vielmehr einer gesonderten Vereinbarung im Unterpachtvertrag.
Fehlende Vereinbarung
Regelmäßig fehlt es an einer solchen Vereinbarung schon dann, wenn der Bezirksverband an der Errichtung des Stromversorgungsnetzes nicht mitgewirkt und es lediglich geduldet hat, dass ein im Umlageverfahren von den Kleingärtnern selbst oder den örtlichen Kolonievereinen finanziertes Stromleitungsnetz auf der örtlichen Kolonieanlage verlegt wurde. Über eine ihm nicht gehörende Anlage kann der Bezirksverband keine vertraglichen Regelungen treffen.
Auch wenn der Bezirksverband die Errichtung des Stromleitungsnetzes verantwortet, wird er gleichwohl während des Unterpachtverhältnisses und nach dessen Beendigung nicht „automatisch“ zum Vertragspartner des Stromversorgungsunternehmens, wenn er sich nicht selbst unterpachtvertraglich verpflichtet hat, eine Parzelle mit Strom zu versorgen. Denn wie bei Wärmelieferungsverträgen entsteht bei der Stromlieferung ein entsprechender Vertrag zunächst mit dem unmittelbaren Nutzer. Nutzer ist derjenige, der die unmittelbare Verfügungsgewalt über den entsprechenden Anschluss hat und die angebotenen Lieferungen entgegennimmt. Dies ist in einem Kleingarten der Unterpächter. Verlässt der Unterpächter die Pachtfläche und wird die Beendigung unter Angabe des tatsächlich vorhandenen Zählerstandes gegenüber den Versorgungsunternehmen angezeigt, endet die unmittelbare Verfügungsgewalt des Unterpächters über den jeweiligen Anschluss. Dann endet auch der Versorgungsvertrag.
Zusatzkosten entstehen
Allerdings kann es vorkommen, dass auch nach dem Ende der Nutzung durch den Unterpächter Kosten für den Stromanschluss entstehen, sei es durch Grundgebühren, durch tatsächliche Entnahme von Strom durch den alten Unterpächter nach der letzten Zählerstandsmeldung an das Versorgungsunternehmen oder durch Dritte. Findet an der Anschlussstelle ein Verbrauch statt, dann kommt ein entsprechender Lieferungsvertrag unabhängig von etwaigen Äußerungen der Beteiligten allein durch das Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens in Form einer sogenannten Realofferte zustande, welche von demjenigen durch schlüssiges Handeln angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität entnimmt oder die Entnahme duldet. Dadurch wird ein nicht gewollter vertragsloser Zustand im Rahmen der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung vermieden, die vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen wird, vgl. § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie und Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV).
Wer zahlt die Zeche?
Der Kostenschuldner für eine solche Entnahme von Strom ist nach dem BGH bezogen auf Kleingärten durch die Beantwortung folgender Frage zu ermitteln: Musste der Bezirksverband nach den ihm erkennbaren Umständen das Vorhalten von Strom durch den Energieversorger so verstehen, dass die nach Ende des Versorgungsvertrages mit dem Unterpächter über den Parzellenstromzähler erfolgte Stromlieferung eine an den Bezirksverband gerichtete Realofferte war, so dass der Bezirksverband Vertragspartner und damit Zahlungspflichtiger wurde?
Dies verneint der BGH ausdrücklich mit dreifacher Begründung:
1. Hat sich der Bezirksverband nicht individualvertraglich zur Versorgung der Nutzeinheit mit Strom verpflichtet, ist er auch nicht für eine außerhalb jeglicher Vertragsbeziehung erbrachte Versorgungsleistung zahlungspflichtig, da ihn keine Verantwortung für die Verfügbarkeit des Stroms auf der Parzelle trifft, wenn sowohl der Leerstand als auch der letzte Zählerstand bei Parzellenaufgabe dem Energieversorger unverzüglich mitgeteilt worden waren. Denn in diesem Fall weiß der Energieversorger, dass er keinen Vertragspartner für eine etwaige Leistungsbeziehung mehr hat.
2. Hat der ursprüngliche Liefervertrag mit dem Unterpächter geendet, kommt eine Zahlungspflicht des Bezirksverbandes für etwa in Rechnung gestellte Grund- und Verbrauchskosten auch nicht über die Konstruktion eines Ersatzversorgungsverhältnisses gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 EnWG in Betracht. Denn im Bereich der Stromversorgung würde dies voraussetzen, dass der Bezirksverband als „Letztverbraucher“ im Sinne von § 3 Nr. 25 EnWG anzusehen wäre. Er musste dann über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederspannung Energie bezogen haben, ohne dass dieser Bezug einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden könnte. Der Bezirksverband hat aber zu keinem Zeitpunkt Energie für den eigenen Verbrauch beim Energieversorger gekauft. Ohne besondere vertragliche Vereinbarung ist der Bezirksverband gerade nicht verpflichtet, seinen Pächtern Strom zur Verfügung zu stellen. Strombezieher, die die entnommene Elektrizität ohne eigenen Verbrauch lediglich weiterverteilen, sind keine „Letztverbraucher“ und können weder gemäß § 36 Abs. 1 EnWG grundversorgt noch gemäß § 38 EnWG ersatzversorgt werden.
3. Die Stromversorgungsunternehmen können bei Fehlen eines Versorgungsvertrages einen Anspruch auf Vergütung der Stromlieferungen gegen den Bezirksverband auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB herleiten, weil schon kein Geschäft des Bezirksverbandes vorliegt, das der Energieversorger im fremden Interesse besorgt haben könnte. Der Bezirksverband ist den Unterpächtern ohne gesonderte Vereinbarung nicht zur Bereitstellung von Strom verpflichtet.
Versorger informieren
Die Bezirksverbände können demnach in ihrer Eigenschaft als Zwischenpächter nicht automatisch nach dem Ende der Einzelversorgungsverträge mit den Unterpächtern wegen etwa anfallender Stromkosten in Anspruch genommen werden. Sie können jedoch auch das Aufkommen von Kosten für die Energieversorger – und damit das Aufkommen von Streit mit diesen – dadurch begrenzen, dass sie daran mitwirken und sicherstellen, dass nach Ende der Einzelversorgungsverträge kein Verbrauch mehr stattfindet. Sie sollten den Leerstand einer Parzelle so schnell wie möglich dem Energieversorger zur Kenntnis geben. Sie sollten die Zählerstandsmitteilungen ausziehender Pächter kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren lassen, bevor die Angaben dem Versorgungsunternehmen mitgeteilt werden. Sie können auch dafür Sorge tragen, dass die Stromzufuhr für die betroffenen Parzellen unterbunden wird, damit von vornherein kein weiterer Verbrauch entstehen kann. Findet kein Verbrauch an der Anschlussstelle statt, kommt auch kein Versorgungsvertrag zustande.
Sabine Gorn
Juristin des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e.V., Berliner Gartenfreund 7-2014
