Grüne soziale Stadt
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Gemeinschaftsgärten – Urban Gardening

Elisabeth Meyer-Renschhausen, Vorstandsmitglied des Gemeinschaftsgartens Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld, plädiert für eine engere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der unterschiedlichen Formen des städtischen Gärtnerns. 


Elisabeth Meyer-Renschhausen

Foto: Wilm Weppelmann

In Berlin entstanden im letzten Jahrzehnt nahezu einhundert interkulturelle Gemeinschaftsgärten und andere städtische Agrarkulturen. Diese sind sowohl dem kulturübergreifenden Miteinander als auch dem Umweltschutz verpflichtet. Meist entstehen sie auf innerstädtischen Brachen oder inmitten von Parks oder Naturschutzgebieten. In ihnen „ackern“ Menschen unterschiedlicher Couleur, kreative Junge, Handwerker, Arbeitslose und Zuwanderer, auf 100, 400 oder auch 5000 Quadratmetern gemeinsam. Sie pflegen Hecken, Kräuter- oder Tomatenbeete, Geräteschuppen und Kompost. Auf individuellen Beeten ziehen die Gemeinschaftsgärtner eigenes Gemüse. Urban Gardening, englisch für städtisches Gärtnern, wird diese neue Form der gemeinschaftlichen Aktivität genannt.


Zum Urban Gardening gehören aber nicht nur die neuen Gartenaktivisten, sondern auch die alteingesessenen Kleingärtner. Und tatsächlich gibt es seitens einiger Gartenaktivisten inzwischen das Bemühen um eine engere Zusammenarbeit mit den Gartenfreunden. Denn die Notwendigkeit, die Gärten gegen den Flächenfraß der nimmersatten Bauindustrie verteidigen zu müssen, trifft Gemeinschaftsgärtner ebenso wie Kleingärtner. Im Gegensatz zu den Kleingärten sind die Gemeinschaftsgärten weder durch ein Gesetz noch durch Bebauungspläne abgesichert. Gartenfreunde wissen, dass sie über Jahrzehnte kämpfen mussten, bis das Gesetz von 1919 ihre Existenz sicherte. Die Gemeinschaftsgärten beginnen heute wie ehedem die Koloniegärtner als pure Zwischennutzer. Sie erhalten zunächst sehr kurzfristige Pachtverträge von einem bis zu drei Jahren. Vielfach ist die Pacht oder Nutzungsgebühr (vor allem zu Anfang) erheblich. Und zwar obwohl das ihnen oftmals abverlangte Gärtnern in Hochbeeten die Sache nicht kostenlos macht, selbst wenn die Pflanzboxen recycelte Geschenke sind. Wo Böden nicht ausgetauscht wurden oder aus Bauschutt bestehen, sind Container-Beete notwendig.


Der „extra-legale“ Zustand erlaubt den neuen Stadtgärtnern jedoch unter Umständen etwas mehr Freiheit im Prozedere und Gestalten. Studenten oder mittellose Flüchtlinge können ohne Hürden mitmachen. Sie müssen nicht erst einen Vertrag unterschreiben oder einen großen Abstand zahlen. Sicherlich aber zermürbt die mangelhafte Anerkennung infolge des rechtlosen Zustands so manchen Gartenaktivisten. Viele ziehen sich nach einigen Jahren zurück. Und so hat paradoxerweise in Berlin und fast weltweit der Hype um die Gemeinschaftsgärten zu einem neuen Andrang auf Koloniegärten geführt. „Meine besten Gärtner werden schließlich fast alle Kleingärtner“, gestand mir eine Gartenaktivistin, die jahrelang im Wriezener Freiraumlabor, einem Grünstreifen an der Warschauer Brücke, engagiert war. Der hier gelegene Gleisbeet-Garten wurde zusammen mit dem Schulgarten des Dathe-Gymnasiums ständig Opfer nachts durchströmender Betrunkener.


Die Anwohner des engbebauten Schillerkiezes von Neukölln hingegen lieben die Gemeinschaftsgärten auf dem Tempelhofer Feld sozusagen allzu sehr. Letztere drohen, an zu großer Beliebtheit einzugehen: Rasen niedergetrampelt, Ernte geklaut, wilde Pinkelei – und aus enttäuschten Gemeinschaftsgärtnern werden Gartenfreunde.


In Problem-Quartieren jedoch helfen diese niedrigschwelligen Gartenoasen, einen gewissen Frieden zu stiften. Daher wäre der Politik hier anzuraten, Gemeinschaftsgärten stärker zu unterstützen: Übersetzerhilfen, Gartenberater und Sozialpädagoginnen können Wunder wirken, wie wir beispielsweise aus Kreuzberg, Lichtenberg, Paris oder Budapest wissen.


Gärten auf oder am Rande öffentlichen Grüns schaffen eine besondere Pflanzen- und Vogelvielfalt. Die Aktiven, die hier Zeit und Ressourcen einbringen, sollten ein Recht auf die Früchte ihrer Arbeit haben. Ihnen ist maßgeblich mit zu verdanken, dass der Park auf dem Gleisdreieck entstand oder das Tempelhofer Feld allen Berlinern erhalten blieb. Gartenfreunde wie beispielsweise jene in Pankow, die sich u.a. BUND-Jugendliche oder andere Gruppen in ihre Anlagen holen, erproben vorbildlich neue Mischformen. Mit ihnen wird es uns gelingen, unsere Gartenflächen auch künftig gegenüber nimmersatten Baulöwen zu verteidigen.



Elisabeth Meyer-Renschhausen



Dr. Elisabeth Meyer-Renschhausen (Kontakt) ist Mitglied im Vorstand des Gemeinschaftsgartens Allmende-Kontor  in Berlin sowie freie Journalistin und Autorin mehrerer Bücher und Bild-Vorträge zu Themen wie „Die Hauptstadtgärtner – Anleitung zum Urban Gardening“ (2015); „Urban Gardening in Berlin“ (2016).